Das Riemann-Thomann-Modell – was ist das und was kann es?

In diesem Beitrag stelle ich das Riemann-Thomann-Modell vor, ein Modell, das seinen Ursprung in der Kommunikationspsychologie hat und für alle, die ein Team leiten eine sehr hilfreiche Unterstützung sein kann.

Jeder* mit einer Führungsverantwortung hat sich sicherlich schon die Frage gestellt, wie verteile ich die anfallenden Aufgaben so, dass jedes Teammitglied seine individuellen Potentiale ausschöpft und gerne zur Arbeit kommt und wie erreiche ich, dass die Aufgabenstellungen erfolgreich und effizient abgearbeitet werden?

Riemann und Thomann klassifizieren in Ihrem Modell vier Persönlichkeitstypen, vier Grundausrichtungen, die Einfluss auf das Kommunikations- und Beziehungsverhalten jedes Teammitglieds haben. Jeder vereint in sich alle vier Ausrichtungen, aber unterschiedlich gewichtet und jeder hat für sich eine Komfortzone, in der er sich am wohlsten fühlt und in der er demnach gerne und gut arbeitet. Den Persönlichkeitstypen eines Mitarbeiters zu kennen und ihn dort abzuholen und anzusprechen, ist für die Führungskraft ein sehr wertvolles Instrument.

Die vier Persönlichkeitstypen

Um die Eigenschaften der einzelnen Persönlichkeitstypen klarer zu benennen, geht es in deren Beschreibung um die Reinformen – aber, wie erwähnt, vereint jeder in unterschiedlicher Gewichtung alle Eigenschaften.

Beginnen wir auf einer gedachten y-Achse mit dem Persönlichkeitstyp Dauer: Er ist ordentlich, strukturiert, er liefert Arbeiten fristgerecht ab, auf ihn ist Verlass und das macht ihn für die Führungskraft berechenbar. Im Team liefert er zuverlässig die Vorarbeiten, Analysen, Zahlen. Der Mitarbeiter, der diese Persönlichkeitsstruktur „Dauer“ hat, braucht für seine Arbeit viele Informationen und Details, die geben ihm Sicherheit, machen ihn aber gleichzeitig in Veränderungsprozessen etwas schwerfällig und wenig spontan.

Möchte der Vorgesetze diesen Mitarbeiter im Rahmen eines neuen Projektes oder eines Change-Prozesses abholen, muss die er viele Details anbieten, denn über Details erhält der Dauer-Mensch die Transparenz, die er für sein Sicherheitsempfinden benötigt.

Dem Dauer-Menschen diametral gegenüber finden wir den Persönlichkeitstyp Wechsel:  Menschen mit dieser Grundausrichtung sind sehr freiheitsliebend, sie leben für das große Ganze, brauchen die Vision dafür aber wenig Details. Sie bringen neue Ideen ins Team und bewerben diese mit voller Begeisterung. Diese Menschen findet man oft in kreativen Berufen, aber auch durchaus in jedem anderen Berufsfeld.

Möchte ich als Führungskraft diesen Mitarbeiter ansprechen, brauche ich nicht die Detailinformationen, diesen Mitarbeiter hole ich mit seinem Tatendrang ab und skizziere das Ziel, male ein Bild vom Ganzen. Dieser Mitarbeiter forciert den Fortschritt der Arbeit mit seinem Enthusiasmus und Spirit.

Auf der gedachten x-Achse finden wir den Menschen mit der Eigenschaft Nähe. Dieses Teammitglied ist „nah“ dran an allen Kollegen, hat immer alle im Blick, ist empathisch, warmherzig, loyal. Dieser Mitarbeiter ist derjenige, der an alle Geburtstage denkt oder Geld für Geschenke einsammelt. Er ist die gute Seele der Mannschaft und wenn ich als Vorgesetzter ein Stimmungsbild meines Teams abfragen möchte, ist der Nähe-Mensch mein wichtigster Ansprechpartner.

Liegt mir als Führungskraft daran den Menschen mit dem Persönlichkeitsmerkmal Nähe mit einem Feedback oder einer Kritik zu erreichen, tue ich gut daran, das zarte Seelchen zu berücksichtigen. Kritik sollte nicht zu harsch und direkt geäußert werden, sondern eher moderat und konstruktiv, vielleicht in ein wenig Smalltalk verpackt sein, sonst kann es passieren, dass dieses Teammitglied sich verschließt und in ein Schneckenhaus zurückzieht.

Am anderen Ende der x-Achse finden wir den Persönlichkeitstyp mit der Ausprägung Distanz. Personen mit dieser Grundausrichtung können Aufgaben gut alleine lösen, sie sind auf die Sache fokussiert. Dieser Mitarbeiter ist nicht konfliktscheu, er treibt die Dinge voran, mit ihm kann ich als Vorgesetzter Klartext reden und kann direkt auf den Punkt kommen.

Gerade als Führungskraft ist es von Vorteil, wenn man Eigenschaften der Grundausrichtung Distanz besitzt: Gilt es als Verantwortlicher für den Fortschritt und den Erfolg des Arbeitsprozesses eine Entscheidung zu treffen, die nicht bei allen Teammitgliedern populär sein wird, braucht es unbedingt den sachlichen Überblick über das Ganze und Objektivität.

Wenn wir uns diese vier beschriebenen Persönlichkeitstypen Dauer-Wechsel und Nähe-Distanz in der Unterschiedlichkeit ihrer Grundausrichtung noch einmal vor Augen führen, wird es sicher schnell verständlich, wo unter den verschiedenen Charakteren ein Konfliktpotential besteht. Der im Detail haftende Dauer-Mensch wird sich schwer tun mit den neuen und innovativen Ideen des Wechsel-Menschen, der wiederum schätzt den Dauer-Menschen vielleicht als kleinkariert ein und empfindet ihn als Bremse für die eigenen tollen Ideen. Der Mitarbeiter, der die Ausprägung „Nähe“ besitzt, empfindet den Kollegen mit der Ausprägung Distanz vielleicht als unnahbar und der andere schätzt den Nähe-Menschen als zu weich ein.

Welchen Nutzen offeriert das Modell?

Wie kann ich mir als Führungskraft nun das Riemann-Thomann-Modell im Arbeitsalltag zu Nutze machen? Ich sehe hier vier wichtige Punkte:

Wenn ich mir jeden einzelnen Mitarbeiter einmal genau anschaue und überlege, welcher Persönlichkeitstyp dieser ist, kann ich den Mitarbeiter in Zukunft auf Augenhöhe abholen und ihm die Ansprache anbieten, die er für sein Wohlbefinden braucht: Details, eine Vision, ein wenig Smalltalk oder aber Fakten ganz an der Sache orientiert.

Mit dem Wissen über die verschiedenen Grundausrichtungen und den damit verbundenen ganz unterschiedlichen Verhaltensweisen der Teammitglieder, kann ich ein mögliches Spannungsfeld bestenfalls schon im Vorfeld transparent machen und Strategien entwickeln, um konstruktiv mit möglichen Konflikten umzugehen.

Außerdem ermöglicht mir das Wissen um die Persönlichkeitsausrichtung meiner Teammitglieder die anfallende Arbeiten und Prozessschritte optimal auf die einzelnen Mitarbeiter zu verteilen, und somit im Sinne des Arbeitsergebnisses den besten Erfolg zu erreichen.

Zugleich kann ich versuchen jedem im Team die Möglichkeit zu bieten, sich in seiner ganz persönlichen Komfortzone hinsichtlich der vorhandenen Verhaltensmuster zu bewegen, sodass der Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommt und motiviert die ihm übertragenen Aufgaben erledigt.

Das Riemann-Thomann-Modell ist also ein sehr wertvolles Tool, wenn es darum geht ein Team wertschätzend zu führen und zu formen. Bei weiteren Fragen bezüglich der konkreten Umsetzung im Team oder auch bei der Unterstützung den eigenen Persönlichkeitstyp zu reflektieren, bin ich als Coachin jederzeit gerne Ansprechpartnerin.

 

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich in diesem Beitrag bei personenbezogenen Wörtern die männliche Form. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter und beinhaltet keinerlei Wertung.