Impuls: 

Ein brillanter Cello Spieler reduzierte sein Repertoire (vor 200 Jahren in China) im Alter darauf nur noch einen einzigen Ton zu spielen, den aber in einer unnachahmlichen Perfektion.

 

Unperfekt sein ist perfekt!

Die Anekdote liefert einen Anreiz über „perfekt sein“ zu reflektieren. Warum streben wir nach Perfektion? Tut uns dieser Wunsch perfekt sein zu wollen gut, oder kann es auch sein, dass das Streben nach Vollkommenheit eine Erwartung in uns erzeugt, die nicht glücklich macht? 

Es sollen drei Aspekte betrachtet werden, die Einfluss auf die Beantwortung dieser Fragen haben: Wir versuchen etwas perfekt zu machen oder perfekt zu sein, weil wir uns über das zu erwartende Lob von anderen freuen und wir unseren Selbstwert über diese Anerkennung definieren. Oder aber, wir betreiben aus Leidenschaft ein Hobby oder eine Sache. Letztlich ist es möglich, dass wir im Laufe unseres bisherigen Lebens erfahren und gelernt haben, was uns bereichert und wir uns letztlich auf diese Tätigkeiten fokussieren. 

Lob und Anerkennung

Schon als Kind erfahren wir, dass wir sanktioniert werden, wenn wir unerwünschtes Verhalten zeigen und im Gegensatz dazu gelobt werden, wenn wir etwas toll machen. Lob tut gut, es freut uns, spornt uns an und stärkt unser Selbstwertgefühl. Wir streben instinktiv danach mehr Lob zu bekommen, also mehr von dem zu tun, was von unserem Gegenüber eine Anerkennung verspricht. Bleibt ein erhofftes, positives Feedback – aus welchem Grund auch immer – aus, ist man unter Umständen enttäuscht und zweifelt an sich und seinen Fähigkeiten. Die Motivation etwas perfekt machen zu wollen, um Lob für das eigene Tuen zu erhalten, macht uns also letztlich abhängig vom Wohlwollen anderer. Der Cello Spieler entscheidet sich gewiss nicht nur noch diesen einen Ton zu spielen, weil er auf das Lob seiner Zuhörer angewiesen ist; denn für die ist es trotz der versprochenen Perfektion vermutlich fade immer nur einen Ton zu hören.

Leidenschaft

Eine mögliche Motivation sich perfektionieren zu wollen, kann Leidenschaft für dieses Tun sein. Oft tun wir Dinge gerne und ausgiebig, die wir gut machen. Das resultiert sicherlich teilweise aus der erfahrenen operanten Konditionierung. Wenn sich daraus eine Leidenschaft z.B. für ein Hobby entwickeln, beschäftigen wir uns ausgiebig mit Fragestellungen rund um das geliebte Thema, investieren Zeit, umgeben uns mit Menschen, die das gleiche Interesse haben, messen uns in Wettbewerben, versuchen immer besser zu werden. Gehen wir einer Sache mit Leidenschaft, sind wir weniger abhängig vom Lob anderer, unser Streben ist mehr oder weniger intrinsisch motiviert. Oft unbemerkt, setzen wir uns durch das Fokussieren dieses einen Themas, das wir so leidenschaftlich verfolgen, aber selber Grenzen. Es bleibt weniger Zeit neue andere Erfahrungen außerhalb der Passion kennenzulernen. Zumal wenn man sich mit Menschen mit gleicher Leidenschaft umgibt. Impulse, die neue ebenfalls interessante Möglichkeiten und Entwicklungschancen offerieren, können so leicht übersehen werden. Unser Cellospieler nimmt sich durch seine Auswahl der seiner Seite die Chance die wunderbaren Klänge der weiteren Saiten zu hören.

(Lern-)Erfahrung und (Lebens-)Erfahrung

Im Laufe unseres Lebens sammeln wir Erfahrungen und lernen bewusst aber auch unbewusst diese Erfahrungen zu kategorisieren, in Erlebnisse und Eindrücke, die uns guttun und uns Freude bereiten und solche, die wir als unangenehm einstufen und in Zukunft lieber vermeiden möchten. Erfolgt ein bewusster Lernschritt, können wir Strategien entwickeln, wie wir in Zukunft mit einer bestimmten Situation umgehen möchten. Je größer der Erfahrungsschatz ist, desto besser gelingt es die Dinge herauszufiltern, die man selber aus wohltuend empfindet. Verknüpft mit der Erkenntnis, dass Zeit kostbar ist, konzentriert man sich mehr auf das Wesentliche, das was einem selber wertvoll erscheint. Dieses bewusste setzen von kostbaren Schwerpunkten im Leben ist eine Herzensangelegenheit. Es macht uns unabhängig vom Wohlwollen anderer und selbst wenn wir in manchen Situationen von Mitmenschen als merkwürdig und verschroben beurteilt werden, macht uns diese innere Überzeugung autark und authentisch. Der Chinesische Cello Spieler entscheidet sich aus seiner Weisheit des Alters heraus und obwohl er sein Instrument in Gänze brillant und perfekt beherrscht, nur noch diese eine Seite zu spielen. Egal, was andere von ihm denken oder erwarten. Ihm ist es nicht wichtig, dass sein Auditorium eine abwechslungsreiche Darbietung erlebt, sondern, dass das, was er präsentiert in einer unnachahmlichen Perfektion geschieht. Es stellt IHN zufrieden!

Resümee

Selbst wenn Zuhörer den Cello Spieler als unperfekt empfinden, weil er kurioserweise auf einem Instrument, das so viel mehr zu bieten hat, nur noch eine Saite bespielt, symbolisiert diese eine Saite für ihn das, was das Instrument für ihn ausmacht und was er gerne für seine Wahrnehmung perfektionieren möchte. Unperfekt ist perfekt!